Laura ist Psychotherapeutin in Ausbildung. Sie spricht über die Versorgungskrise, den Beitrag von KI zur Entlastung – und warum es nicht immer leicht ist, als Mutter mit hohen Ansprüchen an sich selbst ein Vorbild zu sein.
Letztens war die Demo gegen die Versorgungskrise. Wenn Du Dir persönlich etwas für die Zukunft der Psychotherapie wünschen könntest – was wäre das?
Hm… nur etwas? Das ist schwierig. Aber an allererster Stelle wünsche ich mir, dass jeder Mensch in psychischer Not auch wirklich zeitnah Hilfe bekommt. Heute ist es oft so, dass jemand dringend Unterstützung braucht – und dann heisst es: Termin erst in drei oder mehr Monaten. Das ist, als würdest Du mit einem gebrochenen Bein beim Arzt anrufen und hören, „September passt“. Das ist unhaltbar.
Ich wünsche mir auch mehr Anerkennung für unseren Beruf. Weniger dieses Gefühl, um Sitzungen „betteln“ zu müssen. Das Anordnungsmodell bringt viel administrativen Aufwand, und das geht direkt auf Kosten der Sitzungen und schliesslich auch auf Kosten der Grundversicherung wegen des Zusatzaufwandes. Gerade wenn es sowieso einen massiven Mangel gibt, ist das absurd.
Ich hoffe, dass dieser Aufwand mit dem bei WePractice eingeführten KI-Assistenten für die Berichtserstellung reduziert wird. Ich finde es spannend, dass wir bei WePractice so offen mit Themen wie KI umgehen. Für mich ist das die Zukunft – und wir dürfen die Augen davor nicht verschliessen. Im Gegenteil: Wir sollten aktiv schauen, wie wir KI nutzen können, um Prozesse effizienter zu machen. Ich sehe KI nicht als Bedrohung, sondern als Chance.
Du bist kürzlich Mutter geworden, befindest Dich in Deiner Weiterbildung und arbeitest nebenbei – wie bringst Du alles unter einen Hut?
Ganz klar durch soziale Unterstützung – von Familie und von Freunden. Ohne das würde es nicht gehen. Und es braucht Struktur. Aber genauso viel Flexibilität. Die Dinge laufen nicht immer so, wie man denkt – das gehört einfach dazu.
Was mir auch enorm hilft: Ich liebe meinen Beruf. Wenn ich präsent sein und arbeiten kann, ist es zwar streng, aber auch erfüllend. Es ist Arbeit für Geld, ja – aber noch viel mehr ist es sinnerfüllte Arbeit, die mir Energie gibt.
Natürlich gibt es auch Momente, in denen ich das Gefühl habe, ich jongliere zu viele Bälle und werde keiner Rolle richtig gerecht. Das ist frustrierend und ärgerlich. Aber auch das gehört dazu.
Diese Rollen können sich manchmal beissen: Perfekte Arbeitnehmerin, perfekte Mutter – das kann nicht immer zusammengehen.
Genau. Man muss es akzeptieren, aber einfach ist das nicht. Mir hilft, dass ich viel reflektiere und in mich reinhöre, meine Grenzen ständig auslote – wahrscheinlich selbstkritischer als mit irgendjemand anderem. Und gleichzeitig ist mir bewusst: Ich bin auch ein Vorbild für meine Tochter.
Vor ihrer Geburt war ich tendenziell Perfektionistin. Hohe Ansprüche an mich selbst, an meine Arbeit, an alles. Seit ich Mami bin, mache ich mir viel bewusster klar, dass ich gewisse Werte vorleben möchte. Ich will meiner Tochter zeigen, dass sie nicht perfekt sein muss. Dass Perfektion nicht erstrebenswert ist, nicht realistisch, nicht nachhaltig gut.
Du hast Deine Berufserfahrung gestartet, als Covid angefangen hat. Wenn Du jetzt auf die letzten fünf Jahre zurückschaust – merkst Du bei Deinen Klient:innen eine Entwicklung bezüglich Symptomen oder Krankheitsbildern?
Da merke ich tatsächlich Unterschiede. Die Pandemie war ein akuter Stressor für viele Menschen. Ich hatte im klinischen Alltag das Gefühl, dass Covid gerade denen, die vorher knapp unter der Schwelle zur klinischen Krankheit waren, den Rest gab.
Was ich auch stark gemerkt habe: Die Leute waren mehr zu Hause, auf engem Raum, viel dichter zusammen. Dadurch gab es mehr Konfliktpotenzial – zwischen Paaren, Geschwistern, Eltern und Kindern. Beziehungen, die ohnehin schon angespannt waren, konnten sich vorher oft über den Alltag aus dem Weg gehen. Früher war man froh, wenn der andere zur Arbeit ging, dann hatte man acht Stunden Pause vom Streiten. Das ist komplett weggefallen.
Nach einem kurzen Abstecher in internationale Beziehungen fand Laura ihren Weg zur Psychologie an der Uni Zürich. Praxiserfahrung sammelte sie unter anderem in der Forensik in Rheinau und in einer Frauenklinik in Zug. An der Universität Bern absolviert sie derzeit ihre Weiterbildung und arbeitet bei WePractice.
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