Hygge – Der dänische Lebensstil
Seinen Ursprung hat der Begriff Hygge in Norwegen und bedeutet „Wohlbefinden“. Für die Dänen ist Hygge eine Tradition und eine Lebensweise, bei der es um Achtsamkeit, Geborgenheit, gegenseitiges Halt geben und die Verbindung mit anderen geht. Es geht darum, eine gemütliche und herzliche Atmosphäre zu schaffen, in der man eine schöne Zeit mit seinen Lieben verbringen kann und dies möglichst oft zu tun. Also schauen wir uns mal an, was das genau im Alltag bedeutet und wie wir es selber zu Hause erleben können.
10 Tipps für mehr Hygge im Alltag
Kerzen, Kerzen, Kerzen: Das wichtigste ist es, mit warmen Licht und Kerzen eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen. Nicht umsonst verbrauchen die Dänen im Durchschnitt pro Kopf 6kg Kerzen pro Jahr – die Schweizer nur rund 3kg pro Jahr.
Gemeinsam Zeit verbringen: Egal ob Essen gehen, gemeinsam Grillen oder gemütlich daheim etwas spielen - die Hauptsache ist, ihr verbringt gemeinsam Zeit und unterstützt euch gegenseitig. Hyggelig ist es, wenn das „Wir“ im Vordergrund steht und man mit geliebten Menschen im Augenblick lebt. Handys, TV und Computer sollten dabei ausgeschalten bleiben. Sich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen, gibt unserem Leben Sinn und Zweck und fördert das Wohlbefinden. Und sogar unser Immunsystem ist stärker, wenn wir ein intensives Sozialleben führen.
Sich Zeit nehmen: Ein tolles Buch lesen, ein Bild malen, es sich mit Kerzen in der Badewanne gemütlich machen oder gemeinsam singen, all dies bedeutet hyggelige Zeit zu verbringen. Gemeinsam singen schüttet übrigens das Glückshormon Oxytocin aus, was wiederum unser Wohlbefinden steigert.
Sich gegenseitig helfen: Es ist hyggelig, einander zu helfen. Gemeinsam erledigen sich die Dinge viel schneller und leichter. Ob gemeinsames Aufräumen nach der gemütlichen Grillfeier, gemeinsame Vorbereitungen für den nächsten Geburtstag oder gemeinsames Lernen für die Schule – füreinander da zu sein, fördert die Zufriedenheit und senkt das Stresslevel.
Umdeuten: Der letzte Apfelkuchen ist innen total matschig geworden. Egal, dann wird er eben als Dessert mit dem Löffel gegessen. Das Fussballspiel fällt wegen Regen aus. Dann spielen wir halt gemeinsam in der warmen Wohnung Monopoly. Versuche doch einmal, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Häufig sind die Dinge gar nicht so negativ, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Auch aus scheinbar misslungenen Ereignissen, kann etwas sehr Schönes entstehen, wenn wir es nur zulassen.
Achtsamkeit: Wann hast Du das letzte Mal kurz inne gehalten und Deine Umgebung oder Dich selber ganz bewusst wahrgenommen? Solch kurze Erholungsphasen sind wichtig, um Stress abzubauen, unseren Blutdruck zu senken und unsere emotionale Widerstandskraft (die Resilienz) zu steigern. Vielleicht hast Du Lust, morgen mal ein kurzes Morgenritual für einen bewussten Start in den Tag auszuprobieren. Bleibe nach dem Aufwachen noch für ein paar Minuten ruhig liegen und spüre mit voller Aufmerksamkeit in Deinen Körper hinein. Welche Körpersignale nimmst Du wahr? Ist Dir kalt oder warm? Sind Deine Beine schwer oder kribbelt Deine Hand? Durch dieses in Dich hineinspüren bekommst Du ein Gefühl dafür, was Dein Körper heute brauchen könnte, um gut in den Tag zu starten.
Sich daheim eine Hygge-Oase schaffen: „Weniger ist mehr“ ist das heimliche Motto von Hygge. Also ran an den Kleiderschrank und ausmisten. Trennt euch von unnötigem Ballast und schafft ein wenig Ordnung. Und dann her mit der Gemütlichkeit. Alles, was eurer Wohnung Gemütlichkeit verschafft, ein kuscheliges Sofakissen, Kerzen, ein Obstkorb, gedeckte Farben, ist hyggelig.
Spazieren gehen: Ob bei Regen, Schnee oder Sonnenschein, Spaziergänge sind für die Dänen bei jedem Wetter hyggelig. Spazieren hilft dabei zur Ruhe zu kommen und Stress abzubauen.
Der „Hygge-Eid“: Schliesse einen Hygge-Eid mit Deiner Familie ab. Dabei geht es darum, sich darauf zu einigen, beim gemeinsamen Zusammensein nur im Augenblick zu sein. Alle Ablenkungen, wie Handys oder Laptops bleiben den Familientreffen fern. Auch sollten alle Probleme daheim gelassen werden und sich nur auf das Hier und Jetzt konzentriert werden. Vielleicht versucht ihr auch einmal eure gewohnten Kommunikationsmuster zu durchbrechen. Eine herzliche und nicht anklagende Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil von Hygge.
Belastungen (mit-)teilen: Sich guten Freunden und Angehörigen anzuvertrauen, hilft Stress zu reduzieren und die Belastungen schneller zu bewältigen. Wenn es Dir schwer fällt, mit Deiner Familie oder Deinen Freunden über solche Themen zu reden, dann kann es auch hilfreich und entlastend sein, mit jemandem von aussen, wie zum Beispiel einem Psychotherapeuten darüber zu reden.
Nach diesen Alltags-Tipps möchte ich euch noch einige andere Bereiche vorstellen, die durch Hygge geprägt sind. Denn Hygge ist ein Lebensstil, der sich in Dänemark durch alle Lebensbereiche zieht. Schon in der Schule lernen die Kinder, wie wichtig die Gemeinschaft ist. Und auch Frauen nach der Geburt bekommen in Dänemark besondere Unterstützung.
Hygge in der Schule
Bereits die Jüngsten Lernen in Dänemark, wie wichtig das „Wir“ ist. Die dänischen Schüler zwischen 6 und 16 Jahren haben eine Stunde pro Woche „Klassens tid“, was so viel bedeutet, wie Empathie-Lernstunde. In dieser Stunde setzen sich die Kinder gemeinsam mit den Belastungen ihrer Mitschüler auseinander und wie sie sie unterstützen können. Sich selbst zu Gunsten des Anderen zurückzunehmen, um das Zusammensein angenehmer und friedlicher zu gestalten, steht hier im Vordergrund. Die Kinder arbeiten von klein auf an Gruppenarbeiten und lernen die Stärken und Schwächen von anderen zu erkennen und ihnen zu helfen. Der Fokus liegt nicht darauf, andere zu übertreffen, sondern Verantwortung zu tragen und zu helfen. Auch beim Sport gibt es hier keine Preise oder Trophäen, um nicht in einen Wettbewerb zu geraten.
Hygge für junge Mütter
In Dänemark kommt in der ersten Woche nach der Entbindung eine Hebamme vorbei. Neben der Grundversorgung gibt die Hebamme der jungen Mutter die Namen und Kontaktdaten aller anderen Frauen in der Nachbarschaft, die ein Kind entbunden haben, inklusive der Information, wie alt die Kinder sind. Einmal pro Woche treffen sich die Mütter dann zum Erfahrungsaustausch und unterstützen sich gegenseitig im Alltag. Erscheint eine Frau nicht zu einem Treffen, dann rufen die Anderen sie an oder besuchen sie zu Hause.
Falls ihr jetzt Lust bekommen habt, ein bisschen mehr Hygge in euren Alltag zu bringen, dann ist noch eines wichtig zu betonen. Fangt langsam an und seid nicht frustriert, wenn es nicht gleich klappt, achtsam in den Tag zu starten oder mehr Zeit mit Freunden zu verbringen. Macht euch keinen Stress und vergesst nicht, Hygge bedeutet Entschleunigung, Entspannung, Geborgenheit und Umdeuten, also alles ein wenig lockerer sehen.