Was ist Dein Anliegen an die Therapie?
Zunächst einmal solltest Du Dir die Frage stellen: Was möchte ich von der Therapie? Möchte ich meine Biografie aufarbeiten, um Zugang zu meinen Problemen zu bekommen? Dann ist ein psychoanalytischer Zugang die richtige Wahl. Möchte ich lieber einen Therapeuten, der sich auf meine aktuellen Symptome konzentriert, ohne die Vergangenheit aufzuarbeiten? In diesem Fall wäre ein Verhaltenstherapeut eine gute Wahl. Doch woher weiss ich, was davon jetzt sinnvoller für mich ist? Hör auf Dein Bauchgefühl! Du hast ein Gefühl dafür, was in deinem Leben vorgefallen ist. Bist du zum Beispiel schon lange depressiv, hast früh ein Elternteil verloren und deine Depression hat sich nach einer Scheidung verschlimmert, dann ahnst Du vielleicht schon, dass es wichtig sein könnte, Deine Biographie anzuschauen, damit es Dir wieder besser gehen kann. Fühlst Du Dich hingegen im Job überlastet, hast aber keine einschneidenden Erlebnisse in deiner Vergangenheit gehabt, dann könntest Du einen therapeutischen Ansatz wählen, der sich mehr auf deine aktuellen Probleme fokussiert, wie die Verhaltenstherapie.
Einzel-, Paar-, Gruppen- oder Familientherapie?
Eine weitere zentrale Frage ist, möchtest Du eine Einzeltherapie oder lieber eine Gruppentherapie? Nicht jeder Therapeut bietet beides an und es gibt vielerlei Unterschiede zwischen beiden.
In einer Einzeltherapie hast Du die ganze Aufmerksamkeit des Therapeuten für Dich alleine. Es kann über längere Zeit an Deinen Themen gearbeitet werden. Der Ablauf ist sehr offen und wenig vorstrukturiert.
In einer Gruppentherapie kannst du erleben, wie es anderen Menschen mit ähnlichen Problemen geht. Du kannst Dich in Beziehung zu den Anderen erleben, wobei Du hier nicht nur Unterstützung suchender bist, sondern auch Unterstützer sein kannst. Auch kannst du hier in einem geschützten Rahmen mit neuen Verhaltensweisen experimentieren und bekommst Feedback, wie es den Anderen damit ergeht. Der Ablauf ist jedoch meist stärker vorstrukturiert, als bei einer Einzeltherapie und die Stundenanzahl ist meist begrenzt.
Eine Paartherapie kann dann sinnvoll sein, wenn Du und Dein Partner das Gefühl habt, dass es Euch nicht mehr wirklich gelingt, miteinander zu reden, ihr die Beziehung aber auch noch nicht aufgeben wollt. Fallt ihr immer wieder in die gleichen Streitmuster? Habt ihr das Gefühl, nicht mehr zum anderen Partner vorzudringen oder fühlt ihr euch ständig missverstanden? Das kann ziemlich erschöpfend sein. In einer Paartherapie versucht man, den Konflikten auf den Grund zu gehen und zu einer besseren Verständigung zu gelangen.
In Familien kann es zu Veränderungen kommen, die eine Herausforderung darstellen und belasten können. Das können zum Beispiel Entwicklungsschritte der Kinder sein (vom Baby zum Kleinkind, Pubertät), der Verlust des Jobs bei den Eltern oder auch eine Krankheit eines Familienmitgliedes. Auch die verschiedenen Familienkonstellationen (Alleinerziehend, Patchwork, Regenbogenfamilie, Pflege- oder Adoptivfamilie) bringen Herausforderungen mit sich, für die man manchmal Unterstützung benötigt. Dann kann eine Familientherapie hilfreich sein. Hier wird an einer positiven Änderung der Beziehung zwischen den Familienmitgliedern, deren Kommunikation und dem gegenseitigen Verständnis gearbeitet.
Welche Therapieverfahren gibt es?
Auch wenn die Wahl des Therapieverfahrens nicht das zentrale für die Wirksamkeit ist, möchte ich Dir trotzdem einen kurzen Überblick geben, da man durch die Fachbegriffe schnell verunsichert werden kann. Ganz grob lassen sich vier verschiedene Richtungen zusammenfassen:
Tiefenpsychologisch-psychodynamische Verfahren: Hier versteht man die Entstehung von psychischen Krankheiten so, dass dem aktuellen Problem ein innerpsychischer Konflikt zugrunde liegt, also einfach ausgedrückt, dass es widersprüchliche Meinungen in Deinem Inneren gibt, die Dir vielleicht gar nicht bewusst sind, die aber eine grosse Anspannung erzeugen.
Humanistische Verfahren (Gesprächspsychotherapie, Gestalttherapie, Körperpsychotherapie, Imaginationsverfahren, Hypnose, etc.): Hier geht es darum, den Menschen und sein Erleben in seinen Beziehungen zu verstehen. Der Fokus liegt auf dem psychischen Wachstum, indem spezifische Ressourcen aktiviert werden.
Systemische Therapie/Familientherapie: Hier werden Probleme nicht bei einer einzelnen Personen gesehen, sondern als Ausdruck für die Kommunikation und Beziehungsgestaltung in einem System. Ein System kann zum Beispiel eine Familie sein oder auch eine Firma. Hat zum Beispiel ein Mädchen eine Essstörung, wird auf die ganze Familie geschaut, da diese Essstörung so verstanden wird, dass das ganze Familiensystem dysfunktionale Beziehungs- und Kommunikationsmuster hat. Auch hier liegt der Fokus auf den Ressourcen eines Menschen.
Verhaltenstherapie: Hier geht man davon aus, dass jeder Mensch sein (Problem-)Verhalten irgendwann in seinem Leben erlernt hat. Dies wiederum bedeutet auch, dass er es auch wieder verlernen kann. Dabei fokussiert sich der Therapeut auf die Faktoren, die das belastende Verhalten ausgelöst haben, aufrechterhalten und was man dagegen tun kann. Die Verhaltenstherapie versteht sich als Art „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Viele Therapeuten arbeiten jedoch methodenübergreifend, verwenden also Methoden aus den verschiedenen Therapieverfahren. Das ist so wichtig, weil es ja nicht nur vier verschiedene Arten von Menschen gibt. Ein individuelles Eingehen auf jeden Einzelnen ist eine wichtige Voraussetzung.
Sympathie als wichtigster Wirkfaktor
Laut Studien kommt es für das Gelingen einer Psychotherapie gar nicht so sehr darauf an, welche Therapiemethode man wählt, sondern wie die Beziehung zwischen Dir und Deinem Therapeuten ist. Ob Dir ein Psychotherapeut sympathisch ist, wirst Du in den ersten Sitzungen spüren. Ich würde Dir empfehlen, bei zwei oder drei verschiedenen Psychotherapeuten ein Erstgespräch zu vereinbaren. Auch wenn Dir das vielleicht komisch vorkommt, ist das ein übliches Vorgehen, da es enorm wichtig ist, dass die Sympathie passt. Bei wem von den beiden hast Du Dich wohler gefühlt? Bei unseren Therapeuten von wepractice gibt es eine grosse Auswahl an ExpertInnen, die sich alle mit einem Foto und einer kurzen Beschreibung vorstellen. So kannst du gleich auf den ersten Blick sehen, wer Dir sympathisch ist. Bei jeder Therapie gibt es eine Anfangsphase. Falls Du Dir noch unsicher bist, könntet ihr vorerst fünf sogenannte probatorische Sitzungen, also Stunden auf Probe, ausmachen, in denen ihr schaut, ob ihr in ein gutes gemeinsames Arbeiten findet. Du könntest dabei auf folgende Bereiche achten: Mit welchem Gefühl gehst Du aus den Gesprächen? Hast Du den Eindruck, der Therapeut versteht Dein Anliegen? Geht der Therapeut auf deine Fragen ein und ist mitfühlend? Fühlst Du Dich wertgeschätzt? Du kannst dem Therapeuten auch Fragen stellen. Wie geht er/sie vor? Was erwartet Dich? Wie laufen die Sitzungen ab? Wo liegt sein/ihr Schwerpunkt? Wie lang dauert die Therapie?
Männlicher oder weiblicher Therapeut?
Jetzt fragst Du Dich vielleicht noch: zu einem Mann oder einer Frau? Prinzipiell unterscheiden sich männliche oder weibliche Therapeuten nicht hinsichtlich ihrer Effektivität. Aber jeder Mensch hat Erfahrungen gemacht, die es ihm leichter oder schwerer machen, mit Frauen oder Männern umzugehen. Hat zum Beispiel eine Frau eine Depression nach einem sexuellen Übergriff durch einen Mann, wird sie sich wahrscheinlich mit einem männlichen Therapeuten viel unwohler fühlen. Auch hier ist wichtig, hör auf Dein Bauchgefühl. Bei obigem Beispiel kann eine Therapie bei einem Mann genauso erfolgreich sein, wie bei einer Frau. Allerdings beeinflusst die Wahl den Ablauf der Therapie. Der männliche Therapeut wird hier wahrscheinlich viel mehr Ärger, Wut und Frustration abbekommen, als eine weibliche Therapeutin, da er gewissermassen stellvertretend für den Täter steht. Die Frage ist also nicht, wo ist die Therapie erfolgreicher, sondern wo fühle ich mich wohler bzw. wo fällt es mir leichter, mich zu öffnen?
Ich hoffe, WePractice konnte Dir ein wenig mehr Klarheit bei der Suche nach einem passenden Psychotherapeuten verschaffen und wünscht Dir alles Gute dabei.