Joy ist Psychotherapeutin in Weiterbildung, schaut gern durch die Augen ihrer Klient:innen – und manchmal auch einfach Trash-TV.
Welchen Rat würdest Du Studierenden geben, die überlegen, Psychotherapeut:in zu werden?
Lernt früh, Euch abzugrenzen – und auf Euch selbst zu schauen. Fragt Euch: Wie viel Energie habe ich? Was mag ich geben – und was vielleicht auch nicht? Das sind wichtige Fragen, die einem später viel bringen können. Denn vielen Psychotherapeut:innen fällt es nicht unbedingt schwer, “ja” zu sagen.
Wie meinst Du das?
Ich glaube, wir sind oft Menschen, die es anderen eher recht machen wollen. Wenn man sich Studien dazu anschaut, sieht man, dass Psychotherapeut:innen im Big-Five-Modell häufig eine starke Ausprägung in der Verträglichkeit haben. Und diese Verträglichkeit kann dazu führen, dass man öfter “ja” sagt, auch in Momenten, in denen es wichtig wäre, auf sich selbst zu schauen.
Wieso bist Du Psychotherapeutin geworden?
Ich glaube, viele Menschen brauchen im Leben irgendwann mal eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten. Zum Zeitpunkt der Studienwahl gab es in meinem Umfeld ein paar Menschen, die das gebraucht haben. Da habe ich mir gedacht: Es wäre schön, wenn ich auch mal so jemand für jemanden sein könnte.
Inwiefern hat Dich die Zusammenarbeit mit Klient:innen als Mensch verändert?
Manchmal lerne ich selbst etwas aus dem, was ich mit Klient:innen bespreche, das finde ich sehr wertvoll. Und ich nehme schöne Momente im Leben selbst bewusster wahr, weil ich Übungen mit Klient:innen dazu mache. Besonders in meiner kurzen Zeit in der Onkologie habe ich das eindrücklich erlebt, als ich Menschen am Lebensende begleiten durfte. Durch ihre Augen zu sehen, was sie bewundern, was ihnen wichtig ist oder was sie sich mehr im Leben gewünscht hätten – das verändert die eigene Perspektive. Es schenkt eine andere Wertschätzung für das Leben.
Was hilft Dir am Ende des Tages abzuschalten?
Ich laufe meistens einen Teil des Nachhausewegs – entweder steige ich ein paar Stationen früher aus, oder ich lasse den Bus ganz weg. Bewegung hilft mir, den Kopf durchzulüften. Das habe ich auch bei vielen Psychotherapeut:innen in der Weiterbildung beobachtet: Wir machen oft irgendeine Art von Sport: Ob Wandern, einfach an die frische Luft gehen, Fitness oder Tanzen – Hauptsache, es ist etwas ganz anderes. Und manchmal ist es auch Lesen oder Reality-TV. Es darf dann ruhig auch mal richtig doof sein.
Was schätzt Du an Deiner Arbeit besonders?
Ich schätze das Vertrauen. Wenn Klient:innen sagen, dass sie gerne hierher kommen und sich auf den Termin gefreut haben. Gerade bei Menschen, denen es schwer fällt, sich zu öffnen. Vielleicht möchten sie mir eigentlich gar nichts erzählen – und trotzdem kommen sie und erzählen irgendwann doch etwas. Auch ihre Veränderungen zu sehen – das ist schön.
Bei WePractice schätze ich, dass es immer wieder Apéros gibt (lacht). Das kannte ich aus Kliniken so nicht. Es ist schön, regelmässig die Möglichkeit zu haben, sich ausserhalb der Arbeit zu treffen – freiwillig, in einem informellen Rahmen. Das tut gut.
Joy Tieg ist Psychotherapeutin in Weiterbildung und seit 2023 Teil des Teams von WePractice in Zürich.
Nichts mehr verpassen: Abonniere unseren Newsletter und bleibe jeden Monat in 3 Minuten auf dem neuesten Stand der Psychotherapie: Jetzt abonnieren