Psychoanalyse – mehr als die Couch und Sigmund Freud
Über kaum ein Therapieverfahren existieren mehr Gerüchte als über die Psychoanalyse. Häufig wird die Psychoanalyse auf die Couch und Sigmund Freund reduziert. Aber was hat es wirklich damit auf sich? Wie schaut die Psychoanalyse heute aus?
Grundsätzlich kann man zwischen einem stabilisierenden und einem vertiefenden Arbeiten unterscheiden. Bei Traumatisierungen zum Beispiel geht es nicht darum, ins Unbewusste vorzudringen, sondern um Stabilisierung im Hier und Jetzt, damit das Trauma verarbeitet werden kann. Ein vertiefendes Arbeiten kann hingegen wichtig sein, wenn Du Dich zum Beispiel mit Deinen Beziehungsmustern auseinandersetzen möchtest. Hier mal ein kleines Beispiel: Wenn als Kind Dein Bedürfnis nach Geborgenheit von Deinen Eltern nicht genug gestillt wurde, dann leidet man als Kind. Um aber weiterhin zu funktionieren, lernt das Kind, dieses Bedürfnis und den Schmerz zu verdrängen und kommt gut zurecht. Das ist einerseits ein wichtiger Schutzmechanismus von unserer Psyche. Andererseits kann es im späteren Leben aber auch zu Schwierigkeiten führen. So zum Beispiel, wenn Du Dich auch in Partnerschaften nicht auf Nähe einlassen kannst. Du spürst zwar wieder des Bedürfnis nach Geborgenheit, aber dem Gegenüber steht eventuell eine riesen Angst vor Zurückweisung und daher bleibst du auf Distanz. Dieser seelische Zwiespalt kann sich in ganz verschiedenen Symptomen äussern, wie zum Beispiel Rückzug, depressiven Gedanken und vielem mehr. Die psychoanalytische Psychotherapie/Psychoanalyse kann Dich darin unterstützen, Dich selbst besser kennenzulernen und solche unbewussten Motive zu erkennen. Sobald Dir diese Muster bewusst sind, kannst Du daran arbeiten, neue Lösungswege zu finden.
Und wie steht es nun um die berühmte Couch? Die Arbeit mit der Couch, also im Liegen, ist nur eine von vielen Methoden in der Psychoanalyse. Sie bietet die Möglichkeit, den Therapieprozess zu intensivieren und in tiefere Schichten deines Erlebens vorzudringen – in das sogenannte Unbewusste. Aber das ist natürlich nicht für jeden geeignet. Diese Entscheidung wird ganz individuell getroffen. Grundsätzlich kommt die Couch nur bei längeren Therapieprozessen zum Einsatz und meist erst ab einer Sitzungsfrequenz von mindestens zwei Stunden pro Woche. Ausserdem ist es wichtig, dass Dein Inneres stabil genug ist, um diese Intensivierung auszuhalten. Das ist je nach zu Grunde liegendem Themenbereich empfehlenswert oder auch nicht. Du kannst Dir das wie bei Brückenbauarbeiten vorstellen. Um eine Brücke zu erneuern, werden die oberen Schichten abgemeisselt. Ist das Grundgerüst der Brücke instabil, würde sie dabei eventuell zusammenzubrechen. Besitzt sie aber ein stabiles Grundgerüst, dann hält sie dem stand und es können im Anschluss wieder die neuen Schichten aufgetragen werden. Und warum ist es nun wichtig, ins Unbewusste vorzudringen? Häufig geht es uns nicht nur deswegen schlecht, weil in unserem aktuellen Leben bestimmte Belastungen aufgetreten sind, sondern weil schon viel früher Konflikte bestanden habe, die uns nicht mehr erinnerbar sind, aber doch im Inneren weiter wirken und unser Denken, Fühlen und Handeln im Hier und Jetzt beeinflussen. Da kommen wir auch direkt zum nächsten Vorurteil über die Psychoanalyse – es geht immer nur um die Kindheit. Natürlich ist es wichtig, sich mit diesen früheren Konflikten auseinanderzusetzen und sich diese bewusst zu machen. Aber dafür ist es nicht notwendig, nur über die Kindheit zu reden. Die früheren Konflikte zeigen sich auch in aktuellen Beziehungen und dazu zählt auch die Beziehung zwischen Dir und Deinem Psychotherapeuten. Dein Leben im Hier und Jetzt hat sich entwickelt und wurde geprägt von Erfahrungen, Ideen und Entscheidungen. Dein aktuelles Handeln speist sich aus Deinen Lebenserfahrungen und Deinen Begegnungen und kann jeden Moment neu geformt werden. Wie sehr es geformt werden kann, hängt dabei von der Macht deiner Vergangenheit ab. Je stärker Du von intensiven Gefühlen, die Du Dir eventuell gar nicht erklären kannst, überflutet wirst, je stärker Dich diffuse Stimmungen und wenig innere Flexibilität beeinflussen, desto weniger Platz hat das Kreative und Spontane. Fühlst Du Dich zum Beispiel in einer Situation gefangen, hast das Gefühl, bestimmte Situationen vermeiden zu müssen, weil sie unangenehme Gefühle auslösen oder gerätst immer wieder in die gleichen, unangenehmen Situationen? Dann kann es hilfreich sein, den vergangenen Konflikten auf den Grund zu gehen. Um dafür nicht nur in der Vergangenheit zu kramen, können auch Träume herangezogen werden und etwas, das sich freies Assoziieren nennt. Das erkläre ich Dir gleich genauer. Aber zunächst kurz zu den Träumen. Träumen kann man als eine besondere Art zu Denken verstehen, die sich im Schlaf fortsetzt. Man kann sich das so vorstellen, dass sich im Schlaf im Kopf eine Schranke öffnet und all die Themen, die wir untertags ausblenden, hindurchgehen können. Am Tag hingegen ist die Schranke geschlossen, da wir sowieso schon so vielen Reizen ausgesetzt sind. Daher führt uns das Besprechen der Träume mehr zu den verborgenen Themen, die Dein Handeln, Fühlen und Denken beeinflussen. Das freie Assoziieren kann ebenfalls ein Hilfsmittel sein, um diese Schranke sogar im Wachen leicht zu öffnen. Dabei geht es darum, einfach all das zu sagen, was Dir gerade in dem Moment in der therapeutischen Sitzung in den Sinn kommt, ohne es zu zensieren und umzuformulieren. Zugegeben, das ist anfangs ziemlich ungewohnt, aber nach kurzer Zeit kann sich das sogar richtig befreiend anfühlen.
Bei der Psychoanalyse geht es also nicht nur darum, die offensichtlichen Beschwerden zu bekämpfen, sondern nach den zu Grunde liegenden Konflikten zu suchen, indem man sie im Hier und Jetzt wiederbelebt. Denn wenn man nur Symptome bekämpft und nicht das „Übel an der Wurzel“ packt, dann treten die Beschwerden häufig an anderer Stelle in leicht veränderter Form erneut auf.
Und wer ist nun dieser Sigmund Freud? Sigmund Freud ist der Begründer der Psychoanalyse, der einige wichtige Beobachtungen über die Psyche gemacht hat und daraus Theorien entwickelt hat, wie unsere Psyche funktionieren könnte. Die Theorien hier alle zu erläutern, würde viel zu weit führen, aber ich kann Dir gerne ein Beispiel geben. Freud meint zum Beispiel, dass es drei wichtige Instanzen in unserer Psyche gibt. Er nannte sie Es, Ich und Über-Ich. Einfacher ausgedrückt, steht das Es für deine triebhafte Seite, als wenn du total unüberlegte Dinge tust oder einfach deinen Bedürfnissen folgst. Das Über-Ich ist hingegen das Gewissen und versucht Dich zur Vernunft anzuhalten. Und das Ich steht quasi dazwischen und versucht beide Seiten Deiner Umwelt entsprechend anzupassen. Wenn dieses Gleichgewicht aus der Balance gerät, kann es zu Beschwerden kommen. Nun aber genug der Theorie.
Was ist nun der Unterschied zwischen Psychoanalyse und psychoanalytischer Psychotherapie?
Die Psychoanalyse ist hochfrequent, als mindestens zweimal wöchentlich, aber eigentlich noch häufiger. Auch findet sie im Liegen statt. Das kann sich einerseits natürlich nicht jeder leisten und andererseits ist es, wie anfangs schon geschrieben, nicht für jeden das Passende, im Liegen zu arbeiten.
Die psychoanalytische Psychotherapie beinhaltet auch das Hintergrundwissen, das der Psychoanalyse zu Grunde liegt, aber mit einer geringen Stundenfrequenz – meist einmal wöchentlich, in manchem Fällen auch zweimal wöchentlich – und findet im Sitzen statt.
Was abschliessend noch zu sagen ist: Laut Studien kommt es gar nicht so sehr auf die Therapierichtung an, sondern auf die Sympathie zwischen Therapeut und Patient. Wenn Du Dir also noch immer unsicher bist, welche Therapieform die Richtige ist, dann vereinbare doch einfach einmal bei ein oder zwei von unseren WePractice Psychotherapeuten ein Erstgespräch und schau, wer Dir sympathischer ist.