Let´s talk about Sex!
Darüber, was du gestern gegessen hast, was dir weh tut oder wie du geschlafen hast, lässt es sich leicht mit anderen reden. Aber über Sex zu reden, fällt den meisten schwer. Dabei ist das genauso wichtig, wie über die anderen Lebensbereiche zu sprechen. In einer Psychotherapie gehört die Frage nach der Sexualität zu einer der wichtigsten Fragen, ganz egal, ob Du wegen sexueller Schwierigkeiten kommst oder nicht. Genauso wichtig sollten wir das Thema auch in unserem Alltag nehmen. Denn die sexuelle Gesundheit beeinflusst unser mentales Wohlbefinden sehr stark. Je mehr Du Deine eigenen sexuellen Bedürfnisse kennst und je klarer du darüber mit Deinem Partner sprechen kannst, desto intensiver wird Eure Sexualität.
Schämst Du Dich vielleicht dafür, bisher noch keinen Orgasmus erlebt zu haben und spielst Deinen Partnern beim Sex einen Orgasmus vor? Dann geht es Dir wie vielen Frauen. Das muss aber nicht so bleiben. Es kann viele Ursachen dafür geben, warum Du bisher noch keinen Orgasmus hattest. Vielleicht fällt es Dir schwer, loszulassen und Dich ganz der Situation hinzugeben oder Du möchtest Deinen Partner nicht enttäuschen oder Du hattest mal ein negatives sexuelles Erlebnis…all dies und noch mehr können Gründe für fehlende Orgasmen sein. In einer Sexualtherapie kannst du dem genauer auf den Grund gehen und eine befriedigende Sexualität entwickeln.
Vielleicht beschäftigt Dich aber auch eher die Frage, ob Du zu viel Sex hast. Habe ich eine Sexsucht, wenn ich mehrmals täglich Sex habe bzw. haben möchte? Auch hier ist es wichtig, genauer hinzuschauen, denn Lust auf mehrmals täglich Sex ist prinzipiell nichts Ungewöhnliches. Wenn Du jedoch Deine sexuellen Impulse nicht mehr beherrschen kannst und Du Dich kaum noch auf etwas anderes konzentrieren kannst, als auf Sex und vielleicht sogar Deine anderen Lebensbereiche darunter leiden, dann ist es wichtig, mit einer SexualtherapeutIn genauer hinzuschauen.
Was ist Sexualtherapie?
Eine Sexualtherapie begleitet Dich und Deine PartnerIn bei sexuellen Problemen und Unsicherheiten. Du kannst einzeln oder auch als Paar zu einer SexualtherapeutIn gehen. Früher hat man eine Sexualtherapie sehr eng gefasst und es ging nur um die Behandlung sexueller Funktionsstörungen, wie zum Beispiel Erektions- und Potenzprobleme oder der Verlust des sexuellen Interesses. Heutzutage fasst man das viel weiter. Es wird viel mehr auf das Zusammenspiel zwischen Erfahrungen und Erlebnissen aus Deinem Leben und den sexuellen Problemen geschaut. Deine Sexualität wird durch so viele Bereiche beeinflusst und geprägt…durch kulturelle und religiöse Einflüsse, durch Deine Freunde, durch Deine Eltern und durch Deine eigenen Erfahrungen. Und Deine Sexualität wiederum beeinflusst deine Stimmung, Dein Körpergefühl und Deine Gesundheit. So können beispielsweise Schmerzstörungen auch Ihren Ursprung in schwierigen sexuellen Erfahrungen haben oder Posttraumatische Belastungsstörungen nach Missbrauchserlebnissen auftreten. Man könnte also sagen, dass die Sexualtherapie eine Psychotherapie an sexuellen Symptomen ist, bei der jedoch verschiedene spezielle Methoden zum Einsatz kommen.
Wichtig ist, dass Du Dich im Vorfeld gut über den Sexualtherapeuten informierst, denn Sexualtherapie ist kein geschützter Begriff, dem eine einheitliche Ausbildung zu Grunde liegt. Es ist ratsam, vorher nachzulesen, ob das Angebot und die Ausrichtung der SexualtherapeutIn den eigenen Vorstellungen entsprechen. Du kannst auch gerne bei unseren Expert*Innen von WePractice nachsehen, ob Dir jemand zusagt. Setze bei der TherapeutInnensuche einfach den Haken „Sexuelle Probleme“ bei den Spezialisierungen und Du bekommst alle Expert*Innen angezeigt, die sich in dem Bereich gut auskennen.
Wie eine Sexualtherapie abläuft, ist dementsprechend auch sehr unterschiedlich. Manche Sexualtherapeuten arbeiten hauptsächlich mit Paaren, andere wiederum stellen den Einzelnen und seine Belastungen in den Vordergrund. Bei einigen geht es viel um Übungen, bei anderen mehr um Gespräche. In jedem Fall sollte Dich die SexualtherapeutIn am Anfang fragen, ob Deine sexuellen Probleme bereits medizinisch abgeklärt wurden. Denn es gibt auch einige körperliche Gründe, die sexuelle Störungen auslösen können, wie zum Beispiel ein unentdeckter Diabetes. Passt von medizinischer Seite alles, dann kann eine Sexualtherapie begonnen werden.
Gründe für eine Sexualtherapie
Fast jeder von uns hat zumindest einmal in seinem Leben eine Phase, in der ein sexuelles Problem auftritt, egal ob Mann oder Frau, jung oder alt. Häufig existieren auch falsche Vorstellungen davon, wie Sexualität sein sollte. Das gesellschaftlich verbreitete Bild, was „normaler“ Sex ist, kann einen grossen Leistungsdruck oder auch Scham erzeugen. Hier mal die gängigsten Themen, mit denen eine Sexualtherapie aufgesucht wird:
Sexsucht und Hypersexualität (schwer beherrschbares, gesteigertes sexuelles Verlangen)
Sexuelle Ängste und Scham
Verlust der sexuellen Lust bzw. des Interesses
Sexuelle Funktionsstörungen (Erektionsprobleme, Orgasmusprobleme, Potenzprobleme, Schmerzen und Verengung der Vagina beim Sex, etc.)
Verschiedenen sexuelle Phantasien
Sexuelle Probleme, die durch psychische Erkrankungen ausgelöst werden
Beschäftigung mit der eigenen sexuellen Identität und der Geschlechtsidentität
Die Schwierigkeiten können ganz unterschiedlich sein. Manchen Menschen fällt es schwer, zu formulieren, was sie sich in ihrer Sexualität wünschen. Das kann unter anderem an strengen sexuellen Normen liegen, die ihnen in der Kindheit verinnerlicht wurden. Andere Menschen schämen sich für ihre sexuellen Phantasien oder befürchten, dass sie ihre Phantasien irgendwann ausleben würden, wenn sie sie zulassen würden. Auch existiert teilweise die Vorstellung, dass Sex immer gleich verlaufen müsse und es zum Beispiel nicht okay ist, wenn man einmal keine Lust auf das komplette Programm hat, sondern nur auf eine schnelle Nummer oder gar keine Lust hat. Du hast doch auch nicht jeden Tag Lust auf ein Steak mit Pommes, sondern magst heute vielleicht lieber einen Salat. Hier würde niemand auf die Idee kommen, ein Problem zu sehen. Genauso sollte man das auch im sexuellen Bereich sehen. Worauf man Lust hat oder nicht, hängt von der eigenen Stimmung ab und darf von Tag zu Tag unterschiedlich sein. Für eine befriedigende Sexualität ist es wichtig, seine eigenen Bedürfnisse zu kennen. Eine Schwierigkeit in Beziehungen kann auch sein, über seine sexuellen Bedürfnisse und Phantasien mit dem Partner zu sprechen. Scham und Angst vor Zurückweisung oder sich lächerlich zu machen können dies erschweren. Dies kann dann wiederum zu sexuellen Problemen in der Beziehung führen, wie einem frühzeitigen Samenerguss oder dem Fehlen des Orgasmus. Je mehr man in einer Beziehung lernt, über Sexualität offen miteinander zu sprechen, desto erfüllender wird die Sexualität. Oft existiert die Vorstellung, dass Sex am Anfang einer Beziehung, wenn man frisch verliebt ist, am schönsten ist und umso langweiliger oder seltener wird, je länger man zusammen ist. In der therapeutischen Praxis habe ich es jedoch oft anders erlebt. Je offener man in einer Beziehung über seine sexuellen Bedürfnisse und Phantasien sprechen kann und je besser man sich gegenseitig kennt und vertraut, desto weniger Scham und Ängste bestehen, die einen blockieren und desto befriedigender und besser ist der Sex.
Übungen in der Sexualtherapie
Eine Sexualtherapie besteht hauptsächlich aus Gesprächen zwischen Dir und Deiner SexualtherapeutIn bzw. zwischen Dir, Deiner PartnerIn und Eurer TherapeutIn. Von einigen TherapeutInnen werden aber auch immer wieder Übungen angeleitet. Diese Übungen besprecht Ihr gemeinsam in der Stunde vor und probiert sie dann zu Hause aus. Hier mal ein paar Beispiel, damit ihr wisst, was euch eventuell so erwartet.
Eine Übung kann es sein, eine Woche lang auf den Koitus, also das Eindringen Deines Partners in Dich, zu verzichten und sich stattdessen intensiv intim zu streicheln. Hierbei geht es um die Erfahrung, dass körperliche Nähe auch ohne das Eindringen sehr intensiv sein kann und man bekommt ein neues Körpergefühl.
Die Hand des Partners zu führen ist eine weitere Übung. Man sitzt dabei einander gegenüber und führt die Hand des Partners so über den eigenen Körper, dass es sich gut anfühlt. Wo mag ich es sanfter, wo fester? Hierbei vermittelt man dem Partner einerseits die eigenen Bedürfnisse und anderseits spürt man intensiv in sich selbst hinein, was sich gut anfühlt und was nicht.
Die Kegelübung ist eine Einzelübung sowohl für Frauen, als auch für Männer. Über die Stärkung der Beckenbodenmuskulatur kann man die Empfindungsfähigkeit im Genitalbereich steigern oder dem vorzeitigen Samenerguss entgegenwirken. Bei der Übung lernt man, den Beckenboden anzuspannen und dadurch zu kräftigen.
In der nächsten Therapiestunde werden die Übungen dann nachbesprochen. Wie ist es Dir/Euch dabei gegangen?
Wie geht es Dir mir Deiner Sexualität?
Ich hoffe, der Artikel hat Dich dazu angeregt, über Deine eigene Sexualität nachzudenken und Dir ein bisschen die Angst genommen, darüber zu sprechen.
Abschliessen möchte ich mit einem Zitat von Giacomo Girolamo Casanova (1725 - 1798): „Ich bin unverfroren genug, mich Dank meiner derben Neigungen für glücklicher zu halten als andere, weil ich davon überzeugt bin, dass mich diese Neigungen zu größerem Genuß befähigen.“.