Qualitative Beziehungen und soziale Integration als wichtiges Baustein für ein erfülltes und glückliches Leben
Sucht man im Wörterbuch nach “Glück”, stösst man auf “ein Zusammentreffen besonders günstiger Umstände”. Ist Glück also nichts anderes als eine günstige Fügung des Schicksals? Wer kennt das nicht - dieses Gefühl, wenn uns etwas gelingt, wir ein Kompliment oder eine Zusage für eine neue Wohnung erhalten. Und jeder kann sich auf die kippende innerliche Stimmung besinnen, wenn Kritik im Raum steht oder ein Fehler begangen wird. Trübsal blasen oder himmelhoch jauchzend, je nachdem, was uns gerade geschieht - so leicht lässt sich Glück nicht erklären. Wobei man sagen muss: Der Zufall spielt eine wichtige Rolle. Ist man in einem von Frieden geprägten Lebensraum mit minimalem Wohlstand geboren, frei von Diskriminierung, ist man dem Glück schon ein ganzes Stück näher. Und dennoch ist Wohlstand keine Garantie für Glück, wie wir alle wissen.
Die Beziehungen bilden die Basis für Glück
In einer gross angelegten Studie an der Universität Harvard werden seit acht Jahrzehnten Menschen unter anderem nach ihrem Glück und Wohlergehen befragt. Für Robert Waldinger und Marc Schulz sind soziale Beziehungen ein Schlüssel zu guter Gesundheit, Wohlbefinden und eben Glück. Es seien Beziehungen, die sich positiv auf die psychische und körperliche Gesundheit auswirken. Glück ist also “sozial”. Ungeteilte Aufmerksamkeit für Familie, Freunde, gemeinsame Unternehmungen und Erlebnisse stärken uns auf unserer Suche nach Glück. Stabile soziale Beziehungen geben uns ein Gefühl von Verbundenheit und Zugehörigkeit.
Sich kennen und Zeit für die Stärkung unserer Ressourcen einfordern
Nun gibt es jede Menge Personen, die in einem minimalen Wohlstand aufwachsen und qualitativ gute Beziehungen führen - dennoch bleibt das Glücksgefühl aus. Wir können zwar nicht kontrollieren, was das Leben uns spielt, aber wir haben einen Einfluss darauf, wie wir mit Situationen umgehen.
Urs Meier und Peter Müller - beide in einer stabilen Partnerschaft und mit breitem Familien- und Freundeskreis. Beide werden am Arbeitsplatz für eine Entscheidung kritisiert. Urs steckt die Kritik für seine Arbeit gut weg, während Peter ins Grübeln gerät. Im Gegensatz zu Peter akzeptiert Urs seine Schwächen, verzeiht sich und wendet sich seinen Ressourcen. Er steigt in solchen Situationen gerne aufs Mountainbike - er tankt in der Natur am besten auf und stärkt somit sein mentales Immunsystem - seine Resilienz. Die Schaffung dieser Inseln bedingt hingegen eine vorgängige Auseinandersetzung mit sich selbst, sowie viel Disziplin, die Inseln nicht nur zu kennen, sondern diese auch zu pflegen.
Meister der eigenen Gedanken sein
Peter hingegen wendet sich seinem innerlichen Sorgen-Karussell, das ihn immer wieder daran hindert, einzuschlafen. Je länger und intensiver wir uns Sorgen machen, uns mit Ängsten und Zweifeln befassen, desto schlechter fühlen wir uns. Spiralen kann man zwar unterbrechen, aber man muss es üben. Es muss auch nicht gleich ein Meditations-Retreat in Indien sein - es geht nur darum, den inneren Fokus zu richten und Achtsamkeit für die kleinen Dinge entwickeln: sich im Alltag kurz Zeit nehmen, um bewusst durchzuatmen, Anspannung loszulassen, die eigenen Füsse zu spüren oder einen Spaziergang zu machen und sich auf die Sinne zu konzentrieren. Danach ist es oft ruhiger im Kopf, die Denkzentrale fährt runter. Wir sind wieder.
Fake it until you make it - Autosuggestion bis das Gehirn umprogrammiert
Und wenn zwischendurch die innere kritische Stimme dazwischenfunkt - wer kennt diese schon nicht, auch dafür gibt es bewährte Techniken. Die inneren Zweifler machen sich meist in Schlüsselmomenten bemerkbar, bspw. kurz vor einer Präsentation. Dahinter verbergen sich negative Glaubenssätze über uns selbst. Experimente belegen, dass eine fünfminütige, breitbeinige Superwoman/Superman Pose vor einer Präsentation Wunder bewirkt. Die bestimmte Körperspannung setzt einen biochemischen Prozess in Gang und signalisiert im Gehirn: ich kann das. Personen, die fünf Minuten vor ihrem Einsatz in einer solchen Pose verharren, werden in ihrer Leistung besser bewertet als solche, die sich vor ihrem Auftritt körperlich klein machen. Wie wäre es also, anstatt den negativen Worten wohlwollende Sätze zu formulieren. Und wenn man es nicht glaubt: Durch regelmässiges Training wird das Gehirn umprogrammiert und die positiven Glaubenssätze werden verinnerlicht.
Selbstbestimmt statt fremdgesteuert
Ein erfüllende Tätigkeit und eine funktionale Familie sind schön und recht, Ressourcen, positive Glaubenssätze und Superwoman-Posen hin oder her - der Alltag ist mit vielen Verpflichtungen verbunden: die Deadline morgen, das Kostüm fürs Schultheater, das tägliche Check-In mit den alternden Eltern, ein an Krebs erkrankter Nachbar. Kurz, es geschieht rascher, als uns lieb ist, dass wir unter Druck, unter Zeitdruck und Leistungsdruck geraten. Plötzlich fühlt es sich nicht mehr selbstbestimmt, aber fremdgesteuert an. Das muss aber nicht sein. Auch da lohnt es sich innezuhalten, die Perspektive zu wechseln und anstatt sich an Erwartungen und unserer eigenen Leistung zu orientieren, sich Zeit zu nehmen, den Blick vom Alltäglichen zu lösen und zu überlegen, was uns wirklich wichtig ist. Das bedeutet nicht, dass alle Verpflichtungen über einen Haufen geworfen werden müssen. Das bedeutet lediglich, den Blick wieder aufs grosse Ganze zu richten und trotz alltäglichen Aufgaben, die persönlichen Träume nicht aus den Augen zu verlieren.
Sich bewegen und austoben - das Verlernte wieder erlernen
Was vielleicht klingt wie ein Programm für Kinder, tut allen gut, unabhängig von Alter. Unser Alltag ist kopflastig, Pausen füllen wir mit Smartphones und Tablets und unser Nervensystem hat selten eine Pause. Und gleichzeitig kommt der Körper zu kurz. Bewegung ist immer mehr funktional - der Körper, ein Transportmittel von A nach B. Wenn wir Sport treiben, dann weil wir wissen, dass es gesund ist. Trainingseinheiten im Fitnesszentrum bauen wir in unser schon dichtes Programm ein, damit wir das lange Sitzen aushalten. Bewegung einfach so - zum Selbstzweck, dafür bleibt selten Zeit. Dabei setzt Bewegung Endorphine frei, also Glückshormone und baut Stress ab. Anstatt einen Halbmarathon zu rennen, reicht es auch mal ausgiebig zu tanzen, sich kugeln vor Lachen, Grimassen zu schneiden, sich mit anderen zu freuen und zu feiern.
Loslassen - Glück als Reise und nicht als Endpunkt
Über Glück gibt es unzählige Bücher, Podcasts, wissenschaftliche Studien und praktische Erfahrungsberichte. Glück bewegt eben, vielleicht weil die Ausgangslagen und die Suche danach so individuell sind. Die Reise zum Glück ist für jeden eine andere. Und vielleicht liegt das wahre Glück genau in der Akzeptanz, dass Glück kein Zustand, sondern eine Reise ist. Wertefrei und neugierig, offen und demütig, selbstfürsorglich und in sich ruhend - mit dieser Haltung allein ist das Glück schon zum Greifen nah.