Wie kann ich mir eine Kognitive Verhaltenstherapie vorstellen?
Bei dieser Therapiemethode geht es darum, sich über seine eigenen Gedanken, Gefühle, Erwartungen, Einstellungen und sein eigenes Verhalten bewusster zu werden. Man geht hier davon aus, dass die psychischen Probleme ihren Ursprung in erlernten Erlebens- und Verhaltensweisen haben, die Du Dir im Laufe Deines Lebens angeeignet hast. Das Ziel ist es, neue Erfahrungen und Denkmuster zu schaffen und somit die alten Muster zu überschreiben. Im Fokus stehen die sogenannten Kognitionen. Dazu zählen Deine Wahrnehmung, Deine Gedanken, Deine Einstellungen und Überzeugungen und Deine Vorstellungskraft. Man geht davon aus, dass unser Denken einen grossen Einfluss auf unsere Gefühle hat und die Gefühle wiederum beeinflussen, wie wir uns verhalten. Es geht um die Bedeutung, die wir einer Situation beimessen. Unser Erleben einer Situation ist sehr von unseren individuellen Erfahrungen geprägt und dadurch empfinden wir manchmal Gefühle, die der Situation vielleicht gar nicht angemessen sind. Mit der kognitiven Verhaltenstherapie kannst Du lernen, diese Situationen innerlich anders zu bewerten, wodurch sich auch Deine Gefühle in der Situation verändern können und Du in dem Moment keinen Leidensdruck mehr verspürst.
Ablauf einer Verhaltenstherapie
Nimm Dir ruhig Zeit, um einen geeigneten Psychotherapeuten zu finden. Denn Sympathie und Vertrauen sind wichtig für das Gelingen der Therapie. Im Erstgespräch schaut ihr dann gemeinsam auf die Schwierigkeiten und Probleme bei denen Du Dir Unterstützung wünscht. Gleichzeitig werden auch noch Deine Wünsche und Erwartungen an die Therapie abgeklärt. Anschliessend besprecht ihr Deine individuellen Ziele und den Weg dorthin. Die folgenden Sitzungen bestehen dann aus Gesprächen und Übungen. Ihr werdet auch immer wieder überprüfen, ob Du Deinen Zielen dadurch näher kommst oder ob es anderer Übungen bedarf. Auch wenn sich Deine Ziele im Verlaufe der Therapie ändern, werdet ihr sie neu formulieren und die Übungen entsprechend anpassen. Am Ende der Therapie kannst Du die Übungen selbstständig anwenden und ihr besprecht noch, was es braucht, um Rückfällen vorzubeugen.
Eine Verhaltenstherapie dauert unterschiedlich lange. Manchmal können nur wenige Sitzungen ausreichen. Es kann aber auch mehrere Monate dauern, bis die Ziele erreicht sind. Normalerweise finden die Sitzungen einmal wöchentlich statt.
Eine Verhaltenstherapie kann einzeln oder in der Gruppe stattfinden.
Beispiele aus der Praxis
Damit das Ganze nicht so theoretisch bleibt, möchte ich Dir ein paar Beispiele schildern. Ein Mensch mit einer Zwangserkrankung glaubt, dass etwas Schlimmes passiert, sobald er die Farbe Rot berührt. Daher vermeidet er alles, was die Farbe Rot enthält. Er kann sich nicht auf rote Stühle setzen, kann keine roten Bücher anfassen, nicht mit roten Bussen fahren und keine rote Marmelade essen. All dies würde ihm innerlich einen extremen Stress bereiten. Hat er die Farbe Rot doch berührt, muss er sich stundenlang waschen und duschen, damit nichts Schlimmes passiert. Er ist überzeugt davon, nur so dem drohenden Unglück entgegenwirken zu können. Die Verhaltenstherapie fokussiert sich hier hauptsächlich auf die aktuellen Themen und sucht nur bedingt in der Vergangenheit nach den Ursachen. Hilfreich könnten hier sein, bewusste Entspannungstechniken und Atemtechniken zu erlernen. Andererseits könnte man eine sogenannte Konfrontationstherapie versuchen, wo man sich bewusst dem stressauslösenden Ereignis aussetzt und durch gemeinsames Aushalten mit der TherapeutIn merkt, dass nichts Schlimmes passiert, wenn man sich auf einen roten Stuhl setzt. Durch diese Übung kann man nach einer gewissen Zeit das alte angstbesetzte Gedankenmuster überschreiben und durch die neue Erfahrung ersetzen.
Auch für Menschen mit einer Depression kann eine kognitive Verhaltenstherapie hilfreich sein. In einer Depression wird das Denken von sehr vielen negativen Annahmen geprägt. „Es geht gerade alles schief. Ich kann einfach nichts richtig machen. Eigentlich habe ich noch nie irgendetwas zustande gebracht. Ich werde nie einen Job finden.“ oder „Kein Wunder, dass mich keiner mag. Ich bin fett und hässlich. Warum habe ich bloss diese Tüte Chips gestern Abend gegessen. Ich bin so schwach, wenn ich mich nicht einmal bei einer Tüte Chips zusammenreissen kann. So werde ich nie einen Partner finden.“ Depressives Denken ist geprägt von negativen Überzeugungen, von Gedankenkreisen, von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen. Durch das negative Denken wird auch das Verhalten beeinflusst. Man ist zum Beispiel weniger motiviert, etwas auszuprobieren, weil man glaubt, dass ja doch alles schief geht und es nichts bringt. So ziehen sich depressive Menschen immer mehr und mehr zurück. In der Verhaltenstherapie würde man schauen, woher diese negativen Annahmen kommen, in welchen Bereichen es momentan nicht gut klappt, welche Zwischenschritte es braucht, wie man sich selber belohnen kann und welche Übungen auf diesem Weg hilfreich sein könnten. Eine Übung könnte ein Dankbarkeitstagebuch sein, in dem man jeden Tag zwei Dinge aufschreibt, die gut gelaufen sind und für die man dankbar ist. Auch das Umformulieren der negativen Gedanken in neutralere Formulierungen kann hilfreich sein. Nehmen wir als Beispiel eine Grossmutter, die sich nach 3 Tagen Besuch von ihrer Enkelin verabschieden möchte. Die Enkelin winkt ihr jedoch nur ganz kurz zu und rennt dann weg zu ihrer Freundin. Bei der Grossmutter entsteht der negative Gedanke: „Meine Enkelin mag mich nicht, weil ich ihr zu langweilig bin.“. Eine neutralere Formulierung könnte sein: „Die Kleine ist schon voller Vorfreude auf den Nachmittag mit ihrer Freundin, nachdem sie sich die ganzen Ferien nicht gesehen haben. Wir haben in den letzten Tagen auch viel Spass gehabt beim gemeinsamen spielen. Eine lange Verabschiedung hätte sie vielleicht traurig gemacht.“. Diese Umformulierung führt zu einer ganz anderen Grundstimmung bei der Grossmutter und in weiterer Folge auch zu einem anderen Verhalten.
Auch beim Umgang mit Angstzuständen kann Dich die Verhaltenstherapie unterstützen. Hast Du so grosse Angst vor Prüfungen, dass Dein Studium deswegen zum Erliegen kommt? Oder traust Du Dich nicht mehr mit dem Bus zu fahren, weil Du Angst vor einem Unfall hast? Ziehst Du Dich nur mehr in Deine Wohnung zurück, weil Du Angst vor Viren, wie zum Beispiel Covid-19 hast? In der Anfangsphase der Therapie erarbeitest Du mit der TherapeutIn, wie Deine Ängste entstanden sind und wodurch sie aufrechterhalten werden. In einem zweiten Schritt konfrontierst Du Dich langsam mit den Ängsten. Zuerst nur in Deinen Gedanken und dann auch draussen in der Umwelt. Hierbei fängt man mit den Situationen an, die am wenigsten Angst auslösen. Die Situationen suchst Du anfangs gemeinsam mit Deiner TherapeutIn auf. Später kannst Du auch alleine weiterüben. Das ist natürlich erst einmal eine riesen Überwindung, aber sobald dies ein paar Mal gelungen ist, sind die meisten Menschen sehr motiviert, dies weiter zu üben. Du kannst dabei die Erfahrung sammeln, dass Deine Befürchtungen nicht eintreten. Diese Konfrontationen werden dann kombiniert mit Gesprächen darüber, warum Du die Situationen als so gefährlich einschätzt. Zum obigen Beispiel gilt es rauszufinden: Warum hast Du so grosse Angst vor einem Busunfall, obwohl statistisch gesehen nicht so viele Busunfälle passieren? Im Therapieverlauf sollen hierbei die katastrophisierenden Gedanken durch eine realistischere Sicht ersetzt werden.
Dysfunktionale Überzeugungen bewusst machen und verändern
Da unsere Gedanken einen so grossen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben, ist es wichtig, herauszufinden, warum bestimmte Grundannahmen vorherrschen. Obwohl die Verhaltenstherapie sehr im Hier und Jetzt angesiedelt ist, ist es trotzdem wichtig, einen differenzierten Blick auf alle kognitiven Ebenen (Gedanken, Gefühle, Einstellungen, Verhalten, körperliche Reaktionen) zu werfen. Wenn wir uns der Entstehen der problematischen Grundannahmen bewusst werden, bekommen wir die Möglichkeit, diese zu verändern. Somit wird nicht nur eine Veränderung auf der Verhaltensebene erreicht (wie durch oben genannte Übungen), sondern eine Veränderung auf allen Ebenen. Es werden neue Denkmuster, Methoden zum Stressmanagement, soziale Fähigkeiten, Methoden zur Selbstkontrolle, Entspannungsverfahren und konfrontierende Methoden erarbeitet.
Werde Dein eigener Therapeut!
Das ist ein wichtiges Ziel einer Verhaltenstherapie. Durch die anfangs gemeinsame Anwendung der Übungen und Techniken wirst Du dazu befähigt, diese später auch alleine anzuwenden. Du bist dann der Experte für Deine Erkrankung und kannst diese Fähigkeiten immer dann anwenden, wenn es gerade notwendig erscheint. Somit kannst Du auch manchen Rückfällen alleine vorbeugen. Gegen Ende der Therapie erarbeitet ihr noch gemeinsam, was Deine Frühwarnzeichen sind und mit welchen Massnahmen du selbstständig gegensteuern kannst. ‚Werde Dein eigener Therapeut‘ bedeutet, dass Deine aktive Mithilfe erforderlich ist. In der Medizin nimmt man einfach ein Medikament ein und wartet auf das Einsetzen der Wirkung, ohne dass man selber etwas tun muss. Da unterscheidet sich die Psychotherapie grundlegend. Hier ist dein Aktivwerden auch ausserhalb der Sitzungen gefragt. Denn nur Du kannst etwas verändern. Unsere ExpertInnen von WePractice unterstützen Dich gerne dabei, Dein eigener Experte zu werden.