Doch das Wichtigste direkt vorab. Bei einer Familientherapie seid ihr die Experten. Ihr tragt alle Fähigkeiten in Euch, um die Schwierigkeiten zu bewältigen. Nur manchmal sind diese Fähigkeiten etwas verschüttet. Die Familientherapie unterstützt Euch dabei, diese Fähigkeiten wieder freizulegen und Ihr sucht gemeinsam nach Ideen, wie Ihr die Schwierigkeiten bewältigen könnt. Manchmal liegt es an der mangelnden oder missverständlichen Kommunikation innerhalb einer Familie, dass immer mehr Spannungen entstehen. Dann werdet Ihr gemeinsam Wege finden, anders und vor allem klarer miteinander zu reden. Die Kommunikation ist so wichtig, weil sie Nähe herstellt. Durch sie wissen wir, was den Anderen gerade beschäftigt
Wer führt eine Familientherapie durch?
Eine Familientherapie kann von Psychotherapeuten verschiedenster Fachrichtungen durchgeführt werden, so z.B. von PsychoanalytikerInnen und Verhaltenstherapeuten. Am häufigsten jedoch wird sie von Systemischen PsychotherapeutInnen durchgeführt. In der Systemischen Familientherapie schaut man nicht auf den Einzelnen als das schwarze Schaf der Familie, sondern erweitert den Blick auf das gesamte Familiensystem. Sehr häufig sind es Jugendliche oder Kinder, die die Spannungen in einer Familie ausdrücken. Sie entwickeln Verhaltensauffälligkeiten, bekommen vermehrt schlechte Schulnoten, leiden unter psychischen Erkrankungen, wie Essstörungen oder verhalten sich aggressiver als bisher, um nur einige Beispiel zu nennen. Leider wird dann allzu oft der Fokus nur auf das Kind oder den Jugendlichen gelegt, anstatt auf die gesamte Familie zu schauen. In der Familientherapie geht man davon aus, dass dieses Kind über seine Symptome ungünstige Verhaltens- oder Kommunikationsmuster der Familie ausdrückt. Somit bedarf nicht das Kind einer Behandlung, sondern es bedarf einer Veränderung dieser dysfunktionalen Muster innerhalb der Familie. Es geht also nicht darum, einen Verantwortlichen für die Probleme zu finden, sondern ungünstige Beziehungsmuster ausfindig zu machen und nach Lösungen zu suchen. Dabei sieht sich die TherapeutIn nicht als die ExpertIn, die eine Lösung vorgibt, sondern sie sucht den Dialog mit Euch, um gemeinsam Strategien und Perspektiven zu entwickeln.
Was sind häufige Gründe für eine Familientherapie?
Schulische Schwierigkeiten
Psychische Erkrankungen eines Familienmitgliedes (Depression, Sucht, Essstörung
Chronische und lebensbedrohliche Krankheiten in der Familie
Traumata oder Verluste innerhalb einer Familie
Trennungen oder Eheprobleme
Geburt von Geschwisterkindern
Längerfristige spannungsgeladene Konflikte innerhalb einer Familie
Schwierigkeiten im Rahmen einer Adoption oder beim Zusammenwachsen von Patchwork-Familien
Was macht die FamilientherapeutIn?
Die TherapeutIn ist eine neutrale Person, die zu dem Familiensystem von aussen hinzukommt. Von aussen kann man die Beziehungsmuster innerhalb eine Familie oft besser erkennen und dann gemeinsam zu neuen Lösungsstrategien finden. Die Familientherapie läuft, je nach Fachrichtung des Therapeuten immer etwas anders ab. Was jedoch alle gemeinsam haben, ist, dass zwischen deiner Familie und der TherapeutIn Vertrauen aufgebaut werden muss. Die Therapeutin wird am Anfang viele Fragen stellen, einerseits um die Familiensituation genauer kennenzulernen. Andererseits kann schon dies hilfreich für die Familie sein, da es häufig zu Missverständnissen kommt, wenn Bedürfnisse nicht deutlich angesprochen werden. Es geht also unter anderem darum, die Kommunikation innerhalb der Familie zu verändern, damit sich auch die Beziehung verbessern kann. Weiterhin ist ein Ziel, die Wahrnehmungs- Erlebens- und Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Ausserdem wird die Therapeutin auf Eure Ressourcen schauen, also welche Eigenschaften Euch bei der Bewältigung von Anforderungen helfen. Daraus kann man Lösungsansätze für die aktuellen Schwierigkeiten entwickeln. Systemische TherapeutInnen sehen euch als ExpertInnen Eurer Selbst. Sie sehen Euch als autonome, selbstständige Ratsuchende, die nach der gemeinsamen Suche nach Veränderungsansätzen auch aktiv etwas verändern möchten und werden.
Zu weiteren Methoden in der Systemischen Familientherapie zählt folgendes:
Genogramm: Das ist ein detaillierter Stammbaum, der die Familiengeschichte und die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander verdeutlicht. Erfasst werden Namen, Geburtsdaten, wichtige Ereignisse und Verwandtschaftsverhältnisse.
Familienskulptur: Hierbei stellen sich die anwesenden Familienmitglieder im Raum so auf, dass ihre Beziehung zueinander ausgedrückt wird. Dadurch sollen die Beziehung und die damit verbunden Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen bewusster gemacht werden. Im Anschluss an die Aufstellung tauschen sich die Familienmitglieder darüber aus, wie es ihnen in den jeweiligen Positionen gegangen ist. Dadurch werden schwierige Beziehungsmuster sichtbar, die im weiteren Therapieverlauf bearbeitet werden können.
Familienbrett: Auch hier geht es darum, die familiären Beziehungen darzustellen. Allerdings verwendet man hierbei Figuren auf einem Brett und stellt diese entsprechend der eigenen Wahrnehmung auf. Je nachdem, welche Figuren für die jeweiligen Familienmitglieder verwendet werden, wird zum Beispiel deutlich, wie mächtig man jemanden erlebt (Grössenverhältnisse der Figuren). Die Therapeutin wird zu der Aufstellung einige Fragen stellen.
Umdeutung: Hier wird versucht, die Ereignisse aus einer neuer Perspektive zu sehen. Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Ist das auffällige Verhalten des Kindes ein Problem oder nicht vielmehr eine Chance und ein Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten?
Schlussintervention: Am Ende fasst die Therapeutin noch einmal alles zusammen, was in der Sitzung gemeinsam verstanden wurde. Das liefert Anregungen dazu, die eingefahrenen Muster zu verändern. Die Therapeutin wirft dabei auch Hypothesen auf, also Überlegungen zu den Beziehungs- und Kommunikationsmustern und gibt Handlungsvorschläge oder eine konkrete Aufgabenstellung mit.
Und wie lange dauert das Ganze?
Eine Familientherapie ist häufig eine Kurzzeittherapie. Manchmal werden nur wenige Sitzungen benötigt, manchmal jedoch kann es auch nötig sein, die Familientherapie über Jahre fortzuführen, je nach zugrundeliegender Thematik. Am Ende der Familientherapie gibt es ein Abschlussgespräch. In diesem Gespräch schaut Ihr gemeinsam mit der TherapeutIn, was Ihr verändern könnt und welche Warnsignale es gibt, damit sich die Schwierigkeiten nicht erneut einschleichen. Fragen, wie „Was musst Du tun, um das Problem wieder einzuladen?“ können dabei hilfreich sein. Die Familientherapie gibt also Anregungen zur Veränderung von eingefahrenen Mustern. Nur wenn Ihr hinterher selber tätig werdet, wird es zu Verbesserungen Eurer Lebenssituation kommen.
Es gibt allerdings auch ein paar Ausnahmen, wann eine Familientherapie nicht ratsam ist und man besser eine Einzeltherapie bevorzugen sollte…so zum Beispiel, wenn es traumatische Ereignisse oder Missbrauch gibt, die durch ein Familienmitglied verursacht wurden.
Falls Du jetzt denkst „Hmm…vielleicht ist eine Familientherapie genau das Richtige, um unsere Familie wieder näher zusammenzubringen.“, dann schaue doch einfach mal bei unseren TherapeutInnen von WePractice nach, ob dir jemand sympathisch ist.