Stimmungsschwankungen
Jeder von uns hatte sicher schon einmal Stimmungsschwankungen. Gerade eben hast Du Dich noch gefreut, weil du einer älteren Person im Bus Deinen Sitzplatz angeboten hast und schon 5 Minuten später ärgerst Du Dich, weil der Bus im Stau steht und Du zu spät zu Deinem Termin kommst. Diese Stimmungsveränderungen haben immer einen aktuellen Grund, sind also unmittelbare Reaktionen auf die aktuellen Lebensumstände. Bei einer bipolaren Störung hingegen verändert sich die Stimmung unabhängig von äusseren Umständen und die Schwankungen sind viel stärker, als oben beschrieben. Die Erkrankung verläuft in Phasen, die unterschiedlich lange dauern. Es gibt symptomfreie Phasen, manische Phasen und depressive Phasen. Aber nicht nur die Stimmung wird beeinflusst, sondern auch der eigene Antrieb (übersteigert oder vermindert), ebenso wie das Fühlen und Denken. Betroffene schildern, dass diese schwankenden Gefühle von enormer Intensität manchmal kaum aushaltbar sind. Sie schwanken nicht zwischen traurig und glücklich sein, sondern zwischen tiefer Verzweiflung mit Suizidgedanken und rasender Begeisterung für das Leben.
Einteilung der Bipolaren Störung
Es gibt 3 verschiedene Verläufe der Erkrankung. Es gibt die die Bipolar-I-Erkrankung, wo sich heftige Manien und Depression abwechseln. Dann gibt es noch die Bipolar-II-Erkrankung, wo die manischen Phasen weniger heftig sind und kürzer andauern, man spricht auch von hypomanen Phasen. Hier sind die depressiven Phasen jedoch oft schwer. Und zuletzt gibt es noch den Rapid Cycling Typ, wo sich die Phasen sehr schnell abwechseln. Falls Dir die Worte Manie, Depression oder Hypomanie noch nicht viel sagen, dann möchte ich sie Dir hier kurz erklären.
Manische Phase
In dieser Phase ist die Stimmung stark erhöht. Die Betroffenen fühlen sich euphorisch und könnten sprichwörtlich Bäume ausreissen. Oft setzten sich die Betroffenen in dieser Phase etwas in den Kopf, was nicht realisierbar ist. Sie sind in dem Moment aber davon überzeugt, es schaffen zu können. Für die Sorgen von Angehörigen sind die Betroffenen nicht zugänglich. Typisch sind auch hemmungsloses Geld ausgeben, Feiern, Trinken oder ungeschützter Sex, ebenso wie ungewöhnliches Verhalten (zum Beispiel Fremdgehen, rasantes Autofahren oder Klauen) und ein verringertes Schlafbedürfnis. Auch sind die Betroffenen häufig körperlich sehr unruhig und reden viel mehr als sonst.
Sind die oben genannten Veränderungen nur schwach ausgeprägt, dann spricht man auch von einer hypomanen Phase.
Depressive Phase
In dieser Phase sind die Betroffenen niedergeschlagen, antriebslos und traurig. Das Schlafbedürfnis ist gesteigert, aber häufig ist der Schlaf durch Ein- und Durchschlafschwierigkeiten erschwert. Oft wird das Verhalten aus der manischen Phase stark bereut, was zu einem Strudel aus Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen führen kann, der die Stimmung noch weiter drückt. Auch die Folgen aus der manischen Phase, wie Geldprobleme oder Kontaktabbruch mit Freunden und der Familie werden jetzt realisiert und lösen Sorgen aus. Es können Zukunftsängste entstehen. In diesen depressiven Phasen können auch Suizidgedanken auftauchen. Leider sind die Suizidraten bei unbehandelter Erkrankung ziemlich hoch. Dabei gibt es mittlerweile gute Behandlungsstrategien, um die Intensität der Phasen abzumildern.
Behandlungsmöglichkeiten
Gibt es in Deiner Familie schon Betroffene mit einer bipolaren Störung? Dann könntest du versuchen, präventiv auf einige Dinge zu achten, um einem eventuellen Ausbruch entgegenzuwirken. Über die Entstehung von bipolaren Störungen ist man sich nicht ganz sicher, aber derzeit wird von einem bio-psycho-sozialen Modell ausgegangen. Das heisst, dass sowohl eine genetische Vorbelastung, als auch traumatische Ereignisse oder Stressoren in deinem bisherigen oder aktuellen Leben dazu beitragen können, dass die Erkrankung ausbricht. Wenn du schon Betroffene in Deiner Familie hast, dann kann es besonders wichtig sein, auf einen regelmässigen Lebensrhythmus ohne extreme Belastungen zu achten. Dauerhaften Stress gilt es zu vermeiden, ebenso wie einen unregelmässigen Schlaf-Nacht-Rhythmus. Schlafentzug kann zum Beispiel eine Manie auslösen. Auch ein Gespräch mit einem Psychiater oder Psychotherapeuten kann hilfreich sein, um eventuelle Frühwarnzeichen rechtzeitig zu erkennen. Das soll Dir keine Angst machen, sondern durch das Wissen gewinnst Du an Sicherheit, um einerseits vorzubeugen bzw. andererseits im Falle einer Ersterkrankung schon etwas darauf vorbereitet zu sein.
Doch auch wenn die Erkrankung bei Dir schon ausgebrochen ist, gibt es gute Behandlungsstrategien. Die Schweizerischen Gesellschaft für Bipolare Erkrankungen empfiehlt eine kombinierte Behandlung aus Medikamenten und psychosozialen Behandlungsansätzen (Psychotherapie einzeln und in der Gruppe, Psychoedukation, Einbezug von Angehörigen). Es gibt für die verschiedenen Phasen verschiedene Medikamente und es gibt auch sogenannten Phasenprophylaktika. Das sind Medikamente, die unter anderem stimmungsstabilisierend wirken. Die medikamentöse Therapie wird in 3 Stufen eingeteilt, die Akutbehandlung, die Fortsetzungstherapie und die Rezidivprophylaxe. Nachdem die akute Symptomatik behandelt wurde, darf die Medikamentengabe auf keinen Fall gleich beendet werden. Die Erkrankung hat ja einen Verlauf in Phasen. Diese Phasen haben auch ohne Medikamente ein natürliches Ende, jedoch können diese Phasen ohne Medikamente recht lange dauern. Bricht man die Medikation ab, bevor die Phase am natürlichen Ende ist, kann man ganz schnell wieder akute Symptome entwickeln. Daher ist es wichtig, die Therapie noch eine Zeit lang fortzusetzen. Bei den meisten Betroffenen bedarf es aber auch danach noch einer langfristigen Rezidivprophylaxe. Ob das bei Dir der Fall ist, solltest Du am besten gemeinsam mit Deinem Psychiater entscheiden.
Aber Medikamente sind nur ein Baustein der Behandlung. Ein weiterer wichtiger Baustein ist eine Psychotherapie. Hier kann man lernen, Frühwarnzeichen zu erkennen und mit den Symptomen umzugehen. Da die Erkrankung zumeist auch berufliche, freundschaftliche oder familiäre Beziehungen belastet, kann es entlastend sein, gemeinsam mit einem Psychotherapeuten auf diese Lebensbereiche zu schauen. Ebenso kannst Du in einer Psychotherapie Verhaltensweisen erlernen, die Dir helfen können, den verschiedenen Phasen entgegenzuwirken, wie zum Beispiel Stressabbau und Entspannungsübungen. Schau doch einfach mal auf unserer Homepage von WePractice nach, ob Dir ein Psychotherapeut sympathisch erscheint. Wir haben viele Therapeuten, die Dich kompetent auf Deinem Weg zu einem Leben mit Deiner bipolaren Erkrankung begleiten können.
Das Ziel der kombinierten Behandlung ist die Besserung Deiner akuten Symptome, die Vorbeugung bzw. Abmilderung von erneuten manischen oder depressiven Phasen und der Schutz Deines Gehirns, denn unbehandelt kann die Erkrankung nicht nur zu Leidensdruck und sozialen Nachteilen führen, sondern auch zu Veränderungen im Gehirn. Durch die Behandlung kannst Du wieder eine sehr gute Lebensqualität erreichen. Das erhöhte Risiko für extreme Stimmungsschwankung bleibt zwar ein Leben lang, aber Du kannst die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten neuer Phasen entscheidend mitbeeinflussen.
Bei WePractice findest Du eine grosse Auswahl an Therapeuten welche Dich auch bei bipolarer Störung unterstützen können.